Historisches Kinder-und Jugendbuch (Industrialisierung). Erstmals erschienen im Thienemann Verlag 2010 unter dem Titel Schwarzes Wasser. Überarbeitete Fassung, Edition Gegenwind, BoD Norderstedt 2015
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Inhalt
„Für ganze Kerle gibt es nichts Besseres, als das Leben im Wald und auf dem Fluss, so hart es auch ist“, hört Hans von seinem Vater. Damit ist für Hans klar: Er will Flößer werden wie sein Vater. Doch dann gerät die Familie in Not und Hans steht vor der denkbar größten Herausforderung.
Über die Entstehung
Eine Lesereise in den nördlichen Schwarzwald brachte mich zum ersten Mal mit der Geschichte der Flößerei in Berührung. Während ich in der Nähe von Altensteig am Flüsschen Nagold an dem nach altem Vorbild wiedererrichteten Wehr stand und über die Länge der Flöße staunte, die laut Informationstafel einst von dort bis nach Mannheim fuhren, kam mir die Idee, ein Buch zu schreiben, in dem die Flößerei eine Rolle spielte. Ein Junge sollte die Hauptfigur sein. Vielleicht würde er Hans heißen …
Wiederholte Fahrten in verschiedene Regionen des Schwarzwalds und nach Mannheim, viele Museumsbesuche, das Lesen großer Stapel von Fachbüchern und das Recherchieren unzähliger Details waren dann nötig, vor allem aber ein langes Träumen mit offenen Augen und etliche Überarbeitungen des Manuskriptes, ehe die Geschichte von Hans in ihrer endgültigen Form Gestalt annahm.
Rezensionen
„Schwarzes Wasser“ stand auf der Auswahlliste Ulmer Literaturpreis 2011 „Ulmer Unke“: „Ein Buch wie der Geschichts-Unterricht, nur viel spannender.“
„Gisela Esser in Die Rheinpfalz vom 16.1.2012 nennt unter der Überschrift „Der Traum von Gleichheit“ das Buch Schwarzes Wasser „einen mitreißenden Abenteuerroman“, der „in eine Zeit voller Entbehrungen, aber nicht ohne Hoffnung“ entführe.“
In der TV-Sendung quergelesen vom 1.5.2011 im kika wurde mein Buch Schwarzes Wasser empfohlen. Im Zusammenhang mit dem Thema Film hieß es dabei zu Schwarzes Wasser, wer einen guten, einen oskarverdächtigen Film drehen wolle, brauche eine richtig gute Story: „Und eine richtig tolle Story steckt in diesem Buch.“
„Schwarzes Wasser ist ein aufwühlender Abenteuerroman aus der Zeit großer Umbrüche.“ (Münchner Merkur, 11.12.2010)
Susanne Vollberg im Bulletin Jugend & Literatur 2/2011 nennt den Roman „eine Geschichte über den Alltag und die Hoffnungen der Mittellosen“ und empfiehlt ihn wärmsten für jeden, der „sich im Geschichtsunterricht hin und wieder langweilt.“
Im Deutschlandfunk wurde der Roman am 15.1.2011 in der Sendung „Bücher für junge Leser“ besprochen. Tilman Spreckelsen nannte darin die Vatersuche von Hans eine Geschichte, die ihn „sehr gepackt“ habe. Sylvia Schwab sprach dem Roman eine „ungeheure Freude am Detail“ zu, er sei einerseits Zeitgeschichte, andererseits aber „ganz nah an den Menschen und den Dingen dran“ und habe sie deshalb „sehr fasziniert und sehr interessiert“.
Verschiedene Rezensionen der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW, die auch auf den historischen Hintergrund der Geschichte Bezug nehmen, können unter dem Link AJuM nachgelesen werden. Hier nur einige kurze Ausschnitte aus diesen Rezensionen: „Sehr lebendig und spannend“ (AJuM Nordrhein-Westfalen, Gas), „eine authentische Geschichte“ (AJuM Hessen, Spra), „ein höchst empfehlenswertes Buch“ (AJuM Berlin, hewi), „ein Buch der Extraklasse“ und „ein Buch, das den Leser zum Nachdenken herausfordert“ (AJuM Rheinland-Pfalz, RPPO).
Leseproben
Der Vater war über Nacht zu Hause gewesen und hatte erzählt, dass sie heute auf dem nächsten Grundbach zur Kinzig flößen würden, das Floß sei mittags fertig gebunden. Der stärkste, geschickteste und mutigste Floßknecht der Gruppe hatte das Floß zu lenken – und das war natürlich der Vater. Und endlich hätte er, sein Sohn, einmal Zeit, es zu sehen! Hoffentlich kam er nicht zu spät!
Hans rannte, erreichte den Wald und folgte dem schmalen Pfad, der in Windungen den steil abbrechenden Hang hinabführte. Endlich gelangte er ins tief eingeschnittene, stark abwärts führende Tal. Schon ehe er das Wehr erreichte, sah er, dass er rechtzeitig dran war. Das Wehr war noch geschlossen, hoch hatte sich oberhalb der Bach aufgestaut und lag ruhig und still wie ein kleiner See. Nur wenig Wasser floss über den Überlauf. Das Bachbett unterhalb des Wehres war beinahe trockengefallen, massenhaft ragten große Steine aus dem wenigen Wasser.
Wäre das Floß schon durch, so wäre noch nicht wieder so viel Wasser aufgestaut oder das Wehr stünde sogar noch offen: Der Gamber, der große Balken mit den daran befestigten Brettern, hinter denen sich das Wasser sammelte, wäre zur Seite geschlagen, das Fahrloch wäre frei und der Bach könnte ungehindert die befestigte Rampe unterhalb des Wehres hinabströmen und im Bachbett davonfließen.
Hans hielt Ausschau, ob er schon den jüngsten Flößer sah, der dem Floß vorauslaufen musste, um das Wehr zu öffnen. Eines Tages würde er seine Ausbildung zum Flößer auch als Flößerjunge anfangen. Er könnte es längst, schließlich hatte er schon ein paarmal zugeschaut und wusste Bescheid über das Öffnen der Wehre: Nicht zu früh durfte man sie aufmachen, damit das Wasser nicht schon wieder abgeflossen war und die Steine herausschauten, bevor das Floß kam – und nicht zu spät, damit das Wasser nicht hinter dem schneller fahrenden Floß zurückblieb. Er würde immer genau den richtigen Zeitpunkt abpassen, damit das Floß von der Welle des angestauten Wassers getragen würde und auf ihr »reiten« könnte, ohne auf den Steinen des Bachbettes festzufahren.
Hans blickte wartend den Bach entlang. Weit konnte er nicht sehen, nach einem Stück verschwand der Bach hinter einer Biegung der Uferböschung. Bald hielt es Hans nicht länger. Er begann auf dem schmalen Pfad am Ufer bachaufwärts zu gehen. Eine Kurve und noch eine. Vielleicht bekam er schon hinter der nächsten das Floß zu sehen? Ach nein, da müsste er ja längst dem Flößerjungen begegnet sein …
Jetzt strömte das Wasser im Bach stark und schnell. Schäumend stürzte es über Steine und kleine Felsstufen herunter. War das nicht schon die Flutwelle, die dem Floß vorauseilte? Hans rannte am Bachufer aufwärts. Da hörte er ein Rufen. Das war doch die Stimme des Vaters! Hans lief schneller, erreichte die Baumgruppe, die ihm die Sicht genommen hatte – tatsächlich! Dort in der Ferne tauchte die Spitze des Floßes auf. Der Vater stand vorn auf dem zweiten Abschnitt des Floßes, dem ersten regelrechten Gestör aus fünf nebeneinandergebundenen langen Baumstämmen. Mit beiden Händen hielt er den Leitbalken, der an der beweglichen Spitze des Floßes – dem kleinen, aus kürzeren Stämmen gebundenen Vorplätz – befestigt war. Damit lenkte er das Floß so sicher, als wäre es nichts.
»Vater!«, schrie Hans und winkte.
Der Vater sah kurz zu ihm hin, doch gleich wandte er wieder seine ganze Aufmerksamkeit dem Bachlauf zu. An einer steilen Stelle des Baches gewann das Floß noch schnellere Fahrt. Hoch spritzte das Wasser. Der Vater stand sicher in der Gischt und lenkte die Spitze des Floßes geschickt an einem Felsbrocken vorbei, der vom Ufer ins Bachbett hineinreichte. Rasch näherte sich das Floß, vom sprudelnden Wasser getragen. Die hinteren, breiter werdenden Abschnitte des Floßes folgten Gestör um Gestör der Bahn, in die der Vater das vorderste lenkte. Das Ende konnte Hans gar nicht sehen, es war noch hinter der Biegung verborgen. Und nun war der Vater schon fast heran.
»Dich schickt der Himmel!«, rief er Hans zu. »Du musst uns die Wehre öffnen, sonst müssen wir vor jedem Wehr anhalten! Unser Flößerjunge ist ausgefallen! Du kannst das doch, oder?«
Mehr als einmal war Hans schon in Versuchung gewesen auszuprobieren, einen Gamber aufzuschlagen. Aber das war ein Vergehen, so schlimm, dass man mit einer Tracht Prügel nicht davonkam. Also hatte er es lieber sein gelassen. Und jetzt sollte er es tun! Er holte tief Luft. »Klar!«, behauptete er und lief neben dem Floß her bachabwärts, um mit dem Vater auf gleicher Höhe zu bleiben.
»Gut, dann renn, was das Zeug hält!«, rief der Vater zurück. »Mach den Gamber los, sonst müssen wir bremsen und verlieren an Fahrt!«
Hans rannte. Der Vater brauchte ihn. Ohne ihn musste das Floß vor dem Wehr anhalten und verlor viel Zeit. Aber wenn er zu lange brauchte, wenn er das Wehr nicht geöffnet hatte, bevor das Floß kam? Wenn der Vater das Wehr sah, war es vielleicht zu spät, das Floß noch zum Stehen zu bringen! Im letzten Jahr hatte es auf der Kinzig einen Unfall gegeben, weil der Flößerjunge ein Wehr nicht geöffnet hatte. Das Vorplätz und ein Teil des ersten Gestörs waren durch den Spalt zwischen Brett und Gamber hindurchgestoßen und hängen geblieben, der Flößer, der das Floß gelenkt hatte, war zwischen Balken und Floß eingeklemmt worden. Die folgenden Gestöre waren aufgelaufen und hatten sich ineinander verkeilt und übereinandergeschoben. Der Schaden war ungeheuer gewesen. Und der Flößer hatte nie wieder laufen können.
Hans keuchte. Endlich erreichte er das Wehr. Ein kurzer Blick zurück. Nein, von dem Floß war nichts zu sehen.
Völlig außer Atem drückte er auf den mit Steinen gefüllten Kasten am Ende des Gambers, des mächtigen Balkens, der wie eine Wippe mit einer Stelle auf einem starken Standfuß am Ufer auflag. Jetzt musste sich dieser Teil des Gambers herunterdrücken lassen und dadurch würde sich der über den Bach ragende andere Teil mit dem daran befestigten Brett heben und aus seiner Halterung gleiten. Dadurch würde schlagartig dem Wasser freier Lauf gelassen und der Gamber ließe sich in Fließrichtung aufklappen.
Hans drückte mit aller Kraft. Der Balken rührte sich nicht. Hitze schoss in Hans hoch. Verzweifelt versuchte er das mit Steinen beschwerte Ende des Gambers herabzuzwingen. Mit angehaltenem Atem und äußerster Anstrengung presste er. Ein unwilliges Knirschen ertönte. Unverändert aber verharrte der Balken, stand das durch Ketten an ihm befestigte Brett im Bachlauf und hinderte das Wasser am freien Abfluss. Und gleich würde das Floß kommen und sich in den Spalt zwischen Balken und Brett schieben.
Der Vater, der Vater …
Wenn er Anlauf nahm, ob es dann vielleicht ging? Rasch wich er zurück, doch da stolperte er rücklings über einen der Steine, die am Ufer lagen, fiel hin und blieb einen Augenblick benommen liegen, dann trat er voller Verzweiflung gegen einen Stein. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er sprang auf, packte den großen Stein mit beiden Händen, ging in die Knie, nahm noch einmal seine Kraft zusammen und hob ihn an. Keuchend hievte er ihn in den Kasten am Gamber. Dann presste er wieder.
Und nun ging es. Mit leisem Knarren ließ sich das Ende des Balkens etwas nach unten bewegen. Wieder und wieder drückte Hans darauf, fest und gleichmäßig. Er spürte, wie sich eine Kraft in dem Balken aufbaute, wie er stärker und stärker zu wippen begann. Und dann geschah es: Das andere Ende des Balkens, das über den Bach ragte, hob sich, und mit ihm bewegte sich das Brett, das mit Ketten vorn am Gamber befestigt war, aus seiner Halterung und tauchte aus dem Bach auf. Schlagartig schoss das Wasser durch das Fahrloch.
Hans vollführte mit dem Gamber eine Viertelumdrehung, bis der starke Balken nun längs neben dem Bach in seiner geöffneten Stellung sicher auf dem Standfuß ruhte.
Hans atmete tief auf. Dann schaute er auf das Wehr.
In einem breiten, glatten Band strömte das Wasser über die Staustufe und die Rampe hinunter, mehr und mehr. Wie ein Sog war es. Rascher und rascher floss das Wasser und wuchs zu einem dicken, mächtigen Schwall. Am Fuß der Rampe schäumte es hoch auf. Schon wurden die Steine im darunterliegenden Abschnitt des Bachbetts kräftig umspült. Dann endlich waren sie im Wasser versunken.
Und da kam das Floß. Langsamer war es im ruhigen Wasser vor dem Wehr geworden. Lautlos und majestätisch glitt es heran.
Vorne stand der Vater und lenkte mit dem Leitbalken. »Gut gemacht!«, rief er Hans zu.
Gut gemacht. Ein Leuchten breitete sich auf dem Gesicht von Hans aus.
(Leseprobe aus Schwarzes Wasser oder Ein neues Leben, Edition Gegenwind 2015, Seite 33 -37)