(Auszüge aus der Pressemappe des Thienemann-Verlages)

Über mein erstes Buch

Ich ging mit meiner kleinen Tochter auf einem Berg in der Nähe von Nürnberg spazieren. „Keltisches oppidum“ stand in der Wanderkarte. Ich sah nicht mehr als einen überwucherten Erdwall, der sich um das Plateau herum zog, und ich kann nicht behaupten, dass mich dies sonderlich interessiert hätte. Meine Tochter wurde müde. „Ich kann nicht mehr!“ klagte sie. „Ich erzähle dir was!“, war meine schon beinahe standardmäßige Antwort. Eine Geschichte musste her, die meine Tochter ihre Müdigkeit vergessen ließ. „Pass auf“, sagte ich, „ich erzähle dir jetzt von den Kindern, die früher einmal hier gelebt haben. Genau an dieser Stelle war nämlich vor langer, langer Zeit einmal eine Stadt.“

Der Wunsch, ein Kinderbuch zu schreiben, hatte mich schon eine Zeitlang begleitet, war gewachsen aus dem Erzählen für meine Kinder, lag begründet in meiner eigenen Kindheit, in der ich davon geträumt hatte, meine Geschichten aufzuschreiben. Doch bis zu diesem Spaziergang hatte mir die zündende Idee für ein Kinderbuch gefehlt. Nun auf einmal war sie da, und mit ihr das plötzlich erwachte Interesse an unserer Vorzeit. Ich trug alles zusammen, was ich an Büchern über die Keltenzeit auftreiben konnte. Und tatsächlich: Aus dem, was ich las und recherchierte, aus der Landschaft und aus der Erinnerung an jenen Spaziergang erwuchs mein erstes Buch.

Wenn mich Ideen überfallen…

Vereinfacht dargestellt, brauche ich beim Schreiben zwei Arten von Ideen: die erste Grundidee, d. h. den Auslöser, damit eine Geschichte überhaupt in Gang kommt, und dann viele, immer wieder neue Ideen während des Schreibens, die manchmal die auslösende Idee verändern oder sogar durch etwas ganz Neues ersetzen.

Auslösende Ideen kommen ungeplant und unplanbar, überfallartig. Bei meinen historischen Büchern war es einmal das Betrachten eines Plakates zu einer Ausstellung, manches Mal waren es Besuche in Freilichtmuseen oder das Lesen von Fachbüchern, oft Landschaften und historische Orte. Bei meinen phantastischen Geschichten hatten die auslösenden Ideen mehr mit meinem täglichen Leben, momentanen Problemen oder inneren Prozessen zu tun.

Die besten Ideen während des Schreibprozesses kommen bei mir in einer Art Zwischenzustand zwischen Wachen und Träumen. Morgens, kurz bevor der Wecker klingelt, im Dämmerzustand, oder wenn ich gemütlich in meinem Lieblingssessel sitze und meinen Geist auf Reisen schicke. Manchmal unternehme ich aber auch lange Spaziergänge im Wald und überlasse mich meinen Gefühlen und Gedanken. Ideen kann ich nicht machen. Sie geschehen.

Über den Prozess des Schreibens

In den ersten Jahren habe ich immer die Handlung in groben Zügen vorausgeplant, bevor ich mit dem Schreiben eines Buches begonnen habe. Ein solches Schreiben ist sehr ökonomisch, da man von Anfang an ungefähr weiß, worauf man hinaus will, und folglich beim Schreiben kaum Umwege macht. Später hat sich mein Arbeitsstil von selbst geändert. Jetzt weiß ich meistens sehr wenig von meiner Geschichte und kann auch das genaue Thema nicht benennen, wenn ich anfange. Vielleicht ist es nur der Klang des ersten Satzes in meinem inneren Ohr, aus dem sich alles entwickelt. Dazu habe ich vielleicht ein Bild von meiner Hauptfigur und eine vage Vorstellung von Thema und Handlung. So war es beispielsweise bei dem Buch „Vollmondnächte“, das sich aus dem ersten Satz entwickelte: „Eines Tages wachte Aimee auf und spürte, dass ihr etwas fehlte.“

Ich plane nicht

Diese sozusagen ungeplante Art ein Buch zu schreiben führt oft dazu, dass ich 100 Seiten und mehr wegwerfe, denn ich weiß zu Beginn ja noch kaum, wo das Ganze enden wird und kann folglich auch die Fährten noch nicht richtig legen. Aber solches Schreiben ist für mich selbst sehr spannend, ein Prozess, bei dem ich als mein eigener Beobachter sozusagen mit offenem Mund dastehe und mich überraschen lasse.

Und ich finde, die Bücher werden dadurch besser. Authentischer. Wahrer.

Beim Schreiben selbst habe ich nicht das Gefühl, Herrin meiner Figuren zu sein, die wie eine Marionettenspielerin an den Fäden zieht und die Puppen tanzen lässt. Ich habe das Gefühl, alles, was geschieht, selbst zu erleben. Ich bin mit meinem Gefühl die Person, die jeweils agiert. Und diese Person hat ihren eigenen Willen und ihre eigenen Bedürfnisse, und mitunter passen die mir gar nicht in meinen Schriftsteller-Kram. Das erste Niederschreiben einer Geschichte ist der kreativste und essentiellste Teil des Prozesses. Zeitweise habe ich dabei den Eindruck in einem einzigen großen Rausch zu leben.

Wie das Buch fertig wird

Die Hauptarbeit aber geht erst nach der ersten Niederschrift los: das Überarbeiten. Meist sitze ich an der Überarbeitung eines Manuskriptes länger als an seiner Rohfassung. Unmittelbar nach dem ersten Niederschreiben finde ich es sehr schwierig bis unmöglich, einen klaren Blick auf die Stärken und Schwächen des Textes zu haben und zu beurteilen, was davon standhält, was zu verwerfen ist und was wie verbessert werden kann und muss. Bewährt hat sich für mich, das Manuskript für längere Zeit liegen zu lassen, es mehrere Monate gar nicht mehr anzusehen und es dann aus der Distanz heraus ganz neu zu lesen.

Kreative (Uhr-)Zeiten

Wenn ich erst einmal die Richtung erkannt habe, beginnt eine Zeit, die ich sehr liebe: das Umschreiben, das teilweise neu Konzipieren, das Korrigieren, die Arbeit am Detail. Sehr oft wache ich dann nachts (meist ist es 2 Uhr) mit einer Idee für etwas auf, was ich unbedingt noch ändern oder herausarbeiten muss.