Häufig gestellte Fragen über mein Schreiben historischer Romane

Frau Beyerlein, Sie sind durch historische Abenteuerromane für Jugendliche bekannt geworden,
später sind andere Arten von Büchern hinzugekommen.
Seit wann schreiben Sie und womit beschäftigen Sie sich gerade?

Mein erstes Buch ist 1987 erschienen, inzwischen sind es über dreißig. Anfangs habe ich vor allem Jugendromane geschrieben, die in vor- und frühgeschichtlicher Zeit spielen – von der Steinzeit bis zum frühen Mittelalter, aber auch im Hochmittelalter -, später sind auch entsprechende Erzählungen für Kinder hinzugekommen und ein im 3. Jahrtausend v. Chr. handelnder Roman für Erwachsene. Mehrere Jahre habe ich mich für das 19. Jahrhundert interessiert. Ich habe eine Roman-Trilogie geschrieben, die im Berlin des deutschen Kaiserreichs spielt, und einen Kinder- und Jugendroman aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.  Daneben habe ich auch einige Fantasy-Romane sowie realistische Kindergeschichten geschrieben. Gegenwärtig beschäftige ich mich intensiv mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Warum schreiben Sie ausgerechnet historische Romane?

Ich liebe beides: das Recherchieren und das Schreiben, und ich liebe vor allem, das Schreiben aus der Recherche zu entwickeln, meine Ideen sich immer wieder an den Fakten reiben zu lassen, zu versuchen beidem gerecht zu werden – der (prä)historischen Realität und den inneren Erfordernissen meiner Handlung. Ich interessiere mich für die Vergangenheit und habe viel aus der Beschäftigung mit ihr gelernt, ich erschließe mir mit jedem Roman, an dem ich arbeite, für mich selbst ein neues Stück Weltverständnis.
Es sind die Wurzeln, die mich interessieren, die Frage, warum und wie etwas so geworden ist, wie wir es heute kennen – und was allgemeinmenschlich ist hinter dem Historischen, dem Speziellen. Ich finde es spannend, für heute zu schreiben, indem ich über früher schreibe, in der Verfremdung, im Umweg über eine fremde Zeit und Kultur dem Heute näher zu kommen. Denn meine Themen müssen immer beides sein: Sie müssen eng mit der Zeit zu tun haben, über die ich schreibe, aber auch relevant sein für die Zeit, für die ich schreibe. Vor allem aber müssen sie mit mir selbst zu tun haben, mit dem, was mir am Herzen liegt oder auf der Seele brennt.

Haben Sie Geschichte oder Archäologie studiert?

Nein, ich habe Psychologie studiert, über ein sozialpsychologisches Thema promoviert und etliche Jahre in der sozialwissenschaftlichen Forschung gearbeitet. Deshalb gehe ich auch an jede Recherche für einen neuen historischen oder prähistorischen Roman mit ungebrochener Neugier und der Faszination, etwas Neues erfahren zu dürfen, heran. Den Blick des Sozialwissenschaftlers habe ich mir jedoch bei meiner Beschäftigung mit Archäologie und Geschichte bewahrt. Immer wieder interessiere ich mich vor allem für die Gesellschaftsformen, die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Rollenbilder, die individuellen Freiheitsgrade und gesellschaftlichen Beschränkungen – und für die inneren und äußeren Konflikte, die daraus erwachsen.

Wie kommen Sie zu den Ideen für Ihre historischen Bücher?

Manchmal ist es ein Thema, das mich interessiert, manchmal ein Epoche, manchmal ein Ort. Besuche in Freilichtmuseen oder Ausstellungen, das Lesen von Fachbüchern, eine besondere Landschaft oder ein historischer Ort – all das und noch viel mehr kann zum Auslöser für ein Idee werden, doch planen lässt sich dies nicht. Wenn ich mich dann für eine bestimmte Zeit und eventuell auch schon für einen bestimmten Ort der Handlung entschieden habe, kommt eine Phase intensiver Recherche, die von etlichen Monaten bis zu über einem Jahr dauern oder sich auch einmal über Jahre begleitend neben der Arbeit an anderen Projekten hinziehen kann. Aus den Informationen, die ich vor allem aus Fachpublikationen, Museumsbesuchen und Gesprächen mit Fachwissenschaftlern – und bei in historischen Zeiten spielenden Romanen aus dem Quellenstudium – gewinne, entstehen immer wieder neue, anfangs noch unverbindliche Ideen, die ich sozusagen probeweise reifen lasse, bis ich plötzlich weiß: Das ist es. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, um die Recherche zurücktreten zu lassen und mit dem Schreiben zu beginnen.

Die besten Ideen während des Schreibprozesses kommen bei mir in einer Art Zwischenzustand zwischen Wachen und Träumen. Ideen kann ich nicht machen. Die Recherche ist eine notwendige Voraussetzung, aber sie allein reicht nicht aus: Inspiration ist ein Geschenk.

Welche Schritte gehören bei Ihnen dazu, bis ein Text fertig ist?

Voraussetzung ist erst einmal, wie gesagt, eine solide und möglichst breit gefächerte Recherche, die unterschiedliche Fachdisziplinen einbezieht. Dann folgt das erste Niederschreiben des Romans als der kreativste und essentiellste Teil des Prozesses, bei dem ich ganz in meine Geschichte eintauche, der Inspiration vertraue und tief aus dem Unbewussten schöpfe, auch wenn ich die Ergebnisse der Recherche dabei sozusagen im Hinterkopf behalte. Doch bei dieser ersten Niederschrift bleibt es nicht, oft geht danach erst die Hauptarbeit los: das Umschreiben, das teilweise neu Konzipieren, das Korrigieren, die Arbeit am Detail. Nun ist es manchmal auch noch nötig, ganz gezielt zu einigen fraglichen Punkten weitere Recherchen anzustellen und dementsprechende Korrekturen anzubringen. Meistens bitte ich dann auch einen oder mehrere Fachwissenschaftler, sich meinen Text auf Stimmigkeit und sachliche Richtigkeit anzusehen. Mit meinem Lektor bzw. meiner Lektorin und mit guten Freundinnen und Freunden diskutiere ich die äußere und innere Handlung meiner Geschichte und manchmal auch die literarische Umsetzung. Das Gespräch über meinen Text ist mir beim Überarbeiten unersetzlich.

Aus einem Interview der Universität Erlangen-Nürnberg

EWF, Lehrstuhl für Deutsch als Zweitsprache,
Regensburger Str. 160, 90478 Nürnberg
WS 2003/2004

Mögen Sie Ihre Schrift oder schreiben Sie lieber mit der Maschine oder am PC? Warum?

Ich schreibe nur am PC, das ist eine riesige Arbeitsersparnis. Im übrigen halte ich es für reine Gewohnheit, wie man schreibt.

Was bedeutet „Schreiben“ für Sie?

Schreiben ist ein zentraler Teil meines Lebens, ein sehr intensives Lebensgefühl, die Rückkehr zu meiner Quelle. Es ist meine Art, das Leben zu verarbeiten und meine Sicht weiterzugeben, meine Suche nach der Wahrheit, ein Schöpfen aus den Tiefen des Unbewussten – verbunden mit sehr rationaler Vorarbeit. Wenn es gut ist, ist es das Gefühl, etwas niederzuschreiben, was schon immer existiert hat, was nur darauf gewartet hat, durch mich Gestalt anzunehmen.

Welche Themen reizen Sie für Ihre literarische Produktion?

Immer die, die mir gerade selbst unter den Nägeln brennen.
Generell reizen mich Umbruchsituationen, Übergangsstadien, Initiationen.
Immer wieder interessieren mich „Frauenfragen“: Unterdrückung, Benachteiligung, Durchbrüche von Mädchen und Frauen in der Geschichte.

Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen nichts einfällt?

Lange Jahre kannte ich das gar nicht. Dann lernte ich es kennen und war sehr unruhig damit. Inzwischen nehme ich es (meist) mit stoischer Gelassenheit.

Was tun Sie bei Schreibblockaden?

Etwas völlig anderes. Lesereisen machen oder für ein Buch recherchieren. Mein Leben leben. An meiner inneren Entwicklung arbeiten. Nicht ans Schreiben denken. Mich daran erinnern, dass das Schreiben ein Geschenk ist, das man nicht zwingen kann, nur einladen.